Übergabe einer „Fleißarbeit“ an den Geschichtsverein Leck und Karrharde


Die Note „2“ mit einem leichten Minus habe sie dafür erhalten, erinnert sich Karla Rohloff (geb. Carstensen). Die Rede ist von ihrer Abschlussarbeit, die sie im Jahre 1956 für die Schule angefertigt hat. Das Thema war „Eine Untersuchung über Flüchtlinge und Heimatvertriebene in Leck“ (nach dem Stand vom September 1956), der benotende Lehrer Georg Köster, bekannt auch als Historiker und Verfasser der „Chronik des Marktortes Leck“.  Georg Köster war der Deutsch- und Geschichtslehrer von Karla Carstensen, die mit ihren Eltern im Alter von 12 Jahren von Niebüll nach Leck gezogen war.

„Es war furchtbar!“

In ihrer Erinnerung war Leck von Niebüll noch weiter entfernt als heute, sie musste die Schule wechseln, verlor ihren Freundeskreis… Ihr Interesse an Geschichte und eine unglaubliche Liebe zum Detail motivierten sie, viele Nachmittage „bei der Gemeinde im Büro von Herrn Vogt“ zu sitzen und Daten zu sichten.

Jetzt wurde das 40seitige Zeitzeugnis an den Geschichtsverein Leck und Karrharde übergeben.

von links: Erko Carstensen (Stv. Vorsitzender), Hans-Martin Petersen (Vorsitzender) für den Geschichtsverein Leck und Karrharde e.V., Karla Rohloff und Bürgermeister Andreas Deidert

Alle Flüchtlinge und Heimatvertriebenen hatte Karla Carstensen namentlich aufgelistet und die Daten in Bezug auf Herkunft, Beruf und Konfession ausgewertet. Alleine acht Seiten füllen die Namen der Flüchtlinge aus Pommern, weitere sieben Seiten wurden mit den Namen der Vertriebenen aus Ostpreußen beschrieben. Flüchtlingsnamen aus Westpreußen, Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Mecklenburg, Thüringen, Sudetenland,  Polen, Posen und Warthegau füllten weitere 13 Seiten. Insgesamt gab es im September 1956 noch 986 Flüchtlinge in Leck.

Sehr interessant ist die Verteilung der Berufsgruppen, so kommen aus den beiden Teilen Preußens überwiegend Beamte und Angestellte, wohingegen aus  Pommern eher Arbeiter und Bauern eine (zum Teil vorübergehende) Heimat in Leck fanden.

Auch die Verteilung nach Konfessionen und die Unterbringung der Flüchtlinge hat Karla Carstensen genauestens recherchiert. Diese Ausarbeitung liefert dem Geschichtsverein Leck wichtige Daten auch zu unangenehmen Themen der Vergangenheit, zum Beispiel der Zwangs- und Arbeitsdienstlager in Leck.

Durch diese Lager wurde der Ort Leck weit über den Rahmen seines normalen Fassungsvermögens mit Flüchtlingen belegt.

Die Lager befanden sich am Bahnhof, in der Birkstraße, im Westerholz, kokkedahl, am Kaiserhain, Schmörholm, am Langenberg, in der Osterstraße und am Osterholz. Zwei der Lager dienten bei Kriegsende u.a. der Aufnahme von Kriegsgefangenen.

Nach der Währungsreform wurde durch umfangreichen Siedlungsneubau Wohnraum für Flüchtlinge neu erstellt.

Von den noch bestehenden Baracken machte Karla Carstensen sogar Fotos. Ihr Vater habe ihr die Kamera zur Verfügung gestellt „Das war so ein Kasten, da musste man von oben rein gucken,“ erinnert sich Karla Rohloff.

Schließlich fand Karla Carstensen noch heraus, wie sich die Berufe der Flüchtlinge verändert hatten, ob sie im alten oder in einem neuen Beruf tätig oder mittlerweile gar nicht mehr erwerbstätig waren. Damit endete die Abschlussarbeit der fleißigen Schülerin, für deren Zusammenstellung sie auf „Karteikarten der Gemeinde Leck“ als einzige Literaturquelle zurückgriff.

Vor einigen Jahren fiel Karla Rohloff das blaue Schulheft wieder in die Hand. Um es für die Nachwelt zu erhalten, übergab sie es dem damaligen Lecker Bürgermeister Langbehn.

Bei einem Besuch von Bürgermeister Andreas Deidert anlässlich eines runden Geburtstages ihres Mannes kamen sie vor kurzem auf das „Zeitzeugnis“ zu sprechen, das sie – mittlerweile hatte sich in Leck ein Geschichtsverein gegründet – lieber in den Händen eines historischen Archives gesehen hätte. Im Rathaus machte sich der Bürgermeister auf die Suche nach dem beschriebenen „blauen Schulheft“ und tatsächlich wurde er im Panzerschrank der Gemeinde fündig.

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Anfang November konnte das gute Stück nun von Karla Rohloff an den Vorstand des Geschichtsverein Leck und Karrharde e.V. übergeben werden. Vorsitzender Hans-Martin Petersen freute sich sehr über das ausführliche Dokument und sagte schmunzelnd nach einem kurzen Blick „Also ich hätte Ihnen eine Eins gegeben!“ Erko Carstensen, stv. Vorsitzender im Geschichtsverein entdeckte sofort bekannte Namen – ein Flüchtling aus Sachsen sei beispielsweise damals in der Gärtnerei beschäftigt gewesen und das über 35 Jahre. Er kannte auch Karla Rohloff bereits seit Kindertagen, da die Eltern befreundet waren.

Sobald die „Geschichtswerkstatt“ wieder geöffnet ist und es die aktuellen Bedingungen erlauben, wird der Vorstand des Geschichtsvereines Karla Rohloff und ihren Mann auf einen Kaffee in die Räumlichkeiten im Keller des Rathauses einladen, um sich für diese tolle Gabe zu bedanken!

Kontakt zum Geschichtsverein www.geschichtsverein-leck.de