Moor- und Heidekolonisation in Südtondern


Die ältesten Siedlungsplätze unseres Raumes sind gewissermaßen aus sich entstanden und haben sich allmählich zu Dorfgemeinschaften entwickelt. Sie lagen weit verstreut in der Landschaft, meistens am Rande einer Niederung, denn für ein Geestdorf in alter Zeit war es unerlässlich, dass es für größere Flächen Wiesenländereien nutzen konnte, um Winterfutter für das Großvieh zu haben.

In den Jahren 1760 bis 1765 fand unter dem damaligen schleswig-holsteinischen Landesherrn König Friedrich V. von Dänemark die Kolonisation von dünn besiedelten Heide- und Moorregionen auf der Schleswigschen Geest und in Jütland statt. König Friedrich V. hatte um Siedler zur Kultivierung der großen brach liegenden Heide- und Moorgebiete geworben, aber auch, um Steuerzahler ins Land zu holen. Die angesiedelten Kolonisten stammten aus Baden-Württemberg, Hessen und der Pfalz.

Mit der Aussicht auf ein Haus, ein eigenes Stück Land und der zugesagten Hilfe vom dänischen Staat traten die Familien meistens zu Fuß die siebenwöchige, beschwerliche Reise in das Herzogtum Schleswig an.

In Klintum sollten 12, in Karlum 14 und in Tinningstedt 6 Kolonistenplätze eingerichtet werden. Insgesamt waren für das sog. „Wilhelminenfeld“ (angelehnt an den Namen Wilhelmina-Karolina, einer Tochter des Königs Friedrich V. von Dänemark) 41 Kolonistenstellen vorgesehen.

Die Klintumer Eingesessenen sahen bei einer solchen Landabgabe von 108 ha (12 x 9 ha) ihren völligen Ruin voraus.

„Wenn wir nicht die Heide hätten, die wir zum Teil gebrauchen, um solche damit zu bedüngen und fruchtbar zu machen, könnten wir kein Korn bauen und uns und den unsrigen den unentbehrlichen Unterhalt unmöglich verschaffen. Wo ist ein Dorf so nur zu 3 Pflügen bestehet und so viele Colonisten nehmen muss? Wir wünschen nicht, frei zu sein, wünschen aber weniger Colonisten, damit wir nicht ganz und gar ruiniert und an den Bettelstab gewiesen werden.“

In ähnlicher Weise schrieben auch andere Verwalter und Bewohner ihre Ablehnung nach Kopenhagen. Schließlich gab es im Amt Tondern 7 Kolonien, davon 3 im ehemaligen Kreis Südtondern:

  1. Friedrichshöfe (östliche Karrharde, 17 Stellen)
  2. Wilhelminenfeld (Kirchspiel Leck und Ladelund, 10 Stellen)
  3. Louisenebene (Braderup, Lexgaard und Lügum (Süderlügum), 8 Stellen)

Für den Unterhalt wurden aus der Staatskasse Tagegelder angewiesen: 6 Schillinge für jeden Mann, 4 Schillinge für jede Frau und 2 Schillinge für jedes Kind.

Die Kolonisten erhielten zu den Häusern auch den nötigen Beschlag. Jede Hofstelle erhielt zwei Zugochsen, eine Milchkuh und zwei Schafe. An Inventar kamen ein Kastenwagen, ein Pflug und eine Egge dazu. Die Kolonisten erhielten ferner zur Bewirtschaftung des Hofes Futter und Feuerung, Saatkorn und Sämereien für den Garten sowie Nutz- und Buschholz. Auch Arzt- und Apothekerrechnungen für die Menschen und für das Vieh wurden aus der Staatskasse bezahlt.

Die Kultivierung der Heide- und Moorflächen erwies sich als äußerst schwierig und bedeutete für die Kolonisten ein schweres, mühevolles und entbehrungsreiches Leben. Infolge der schwierigen Ansiedlungsbedingungen und durch die Streichung der Tagegelder gaben viele Kolonisten recht bald auf. Sie gingen zurück in die Heimat oder folgten der Werbung Katharinas II., in Russland zu siedeln.

In Leckfeld Nord erinnert ein Gedenkstein an die Zeit der Kolonisten zwischen 1763 und 1939. Die 3 Plätze mussten 1938 dem Bau des Flugplatzes weichen, die Besitzer bekamen in Bramstedtlund neue Höfe zugeteilt.

Das Projekt scheiterte nicht am Unwillen oder Unvermögen der Siedler. Die wahren Ursachen lagen im Kern in den schlechten Heideböden. Sie waren mit den Kenntnissen der damaligen Zeit nicht zu kultivieren.

Die Kolonisten besaßen kein Weideland, doch zum Gräsen und zur Heuwerbung wäre dieses dringend nötig gewesen, auch zur Erzeugung von Mist für die Düngung. Das zentrale Problem aber war die auf vielen Heideflächen steinharte Schicht, etwa einen halben Meter unter der Oberfläche.

Bildquelle Nikanos, Bodenprofil Heide, CC BY-SA 2.5

Als „Ortstein“ bezeichnet man eine harte, wasserundurchlässige Schicht, die sich nach der letzten Eiszeit auf den ausgedehnten Sandflächen der Geest gebildet hat. Dieser Bodentyp zeichnet sich durch die Auswaschung und Verlagerung von Eisen-, Aluminium- und Humusstoffen vom Ober- in den Unterboden aus. Der Effekt wird durch das saure Milieu noch verstärkt. Im etwas weniger sauren Unterboden werden diese Stoffe wieder ausgefällt und verkitten sich zu einer oft steinharten Schicht, dem sogenannten „Ortstein“. Dieser Ortstein begrenzt das Wurzelwachstum. Durch die geringe effektive Durchwurzelungstiefe steht den Pflanzen in der Trockenzeit nur wenig Wasser zur Verfügung, sie verdursten. Über Ortstein konnten sich deshalb nur die flachwurzelnden, extrem trockenheitsresistenten Heidepflanzen ansiedeln.

Bildquelle https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Ortstein.jpg

Mitte des 18. Jahrhunderts war man technisch noch nicht in der Lage, großflächig den Ortstein zu brechen. Das wurde wirtschaftlich erst durch Tiefpflüge möglich, die von zwei Dampflokomobilen an Stahlseilen über das Feld gezogen wurden. Erst 1893 konnte dieses Verfahren erstmals auf der schleswigschen Geest bei Süderlügum (Nordfriesland) eingesetzt werden. Um Heideflächen wieder in Acker- oder Weideland zu verwandeln, reicht es aber nicht, den Ortstein zu brechen. Die Bodenverbesserung, Melioration, konnte nur gelingen, wenn zusätzlich Dünger und Mergel in großem Umfang unter die Bleicherde gemischt wurde.

Bei einem Besuch des Bodenerlebnispfades im Langenberger Forst erfährt man viel Wissenswertes über Provinzialforstdirektor Carl Emeis (1831–1911), der im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert der norddeutsche Pionier für Waldbegründung war. Sein „Erfolgsrezept“ basierte auf bodenverbessernden Maßnahmen (Melioration) mit dem Verfahren der Rabattenkulturen, die heute auch Emeis-Kulturen genannt werden.

Nach Carl Emeis ist eine Straße in Leck benannt, ein Gedenkstein findet sich im Langenberger Forst.

„Die Ehrfurcht vor der Vergangenheit
und die Verantwortung gegenüber der Zukunft
geben fürs Leben die richtige Haltung.“

Dietrich Bonhoeffer

 

Infoquellen u.a.

Heinrich Eichhorn, Leck (Jahrbuch Schleswig Holsteinische Geest 1974, 22. Jahrgang, Seiten 124/125)
Wikipedia
Geschichtsverein Leck und Karrharde e.V.
www.plaggenhacke.de
www.geschichte-s-h.de